Das ritterliche Training (Kurzgeschichte)

Das ritterliche Training

Erschöpft schließe ich das große Tor von Schloss Elend, dem Hauptquartier der Kaiserlichen Armee. Meine Arme schmerzen und ich weiß, dass sie mich das noch einige Tage lang spüren lassen werden. Ich komme gerade von einem Einsatz gegen Sturmmäntel-Krieger zurück. Wir haben eine der letzten Burgen zurückerobert, die sich die Sturmmäntel, die nach dem Tod von Ulfric noch übrig geblieben waren, als ihr neues Zuhause ergattert hatten. Doch das hielt nicht lange. Vielleicht zwei Wochen. So genau kann ich das momentan nicht sagen. Trotz der Schmerzen und den schrecklichen Erinnerungen des Kampfes, hat General Tulius mir befohlen, noch etwas Training zu absolvieren. Ich soll mich von einer Stadtwache aus Einsamkeit unterrichten lassen. Warum auch immer.

Völlig erschöpft mache ich mich also auf den Weg zu den Trainings-Zielscheiben, wo bereits einige Wachen trainieren. Ohne lange warten zu müssen, werde ich auch gleich empfangen. "Bereit fürs Training?", fragt die Wache, die so aussieht, als ob sie mich gleich trainieren wollte. Ohne lange darüber nachzudenken, nicke ich und antworte: "In Ordnung. Los geht's." "Okay, dann beginnen wir mit dem Bogenschießen." Sofort hole ich Pfeil und Bogen heraus und mache mich bereit für meinen ersten Schuss.

"Zuerst einmal ist es wichtig zu sagen, dass du beim Schießen beide Augen offen hast. Spanne den Pfeil bis zu deinem Mundwinkel und stehe gerade da. Versuche es.", sagt die Wache. Ich hoffe, ihm ist bewusst, dass ich nicht zum ersten Mal schieße. Ich frage mich sowieso, warum ich das alles jetzt machen soll. Ich kann doch schießen und kämpfen, aber General Tulius meinte, dass es Pflichtprogramm ist. Vielleicht möchte er auch einfach von mir wissen, ob die gut trainierte Wache jemand für die Armee wäre. Kann er da nicht einfach selbst ein Auge auf ihn werfen? Oder bin ich ihm zu schwach? Nein, dann würde er mich niemals so schnell befördern und mich so hoch loben. Ich beschließe, das Training jetzt einfach als notwenig um noch besser zu werden, anzusehen. Genauso ist es auch. Ich spanne die Sehne und konzentriere mich nur auf mein Ziel.

Bis der Pfeil die Mitte der Zielscheibe trifft, ist es ganz still in meiner Umgebung. Nur das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Das ändert sich kurzzeitig, als der Pfeil laut kracht, als er die Zielscheibe trifft. Erst der erfreute Atemzug meines Trainers unterbricht die Stille endgültig und alle Wachen reden wieder wild durcheinander. "Sehr gut. Sehr, sehr gut. Jetzt zeige ich Euch noch ein paar Tricks, dann übt Ihr nochmals und dann machen wir eine kurze Pause, ehe es zum Nahkampf-Training kommt." Ich nicke und beobachte interessiert seine Schießtechniken.


Meiner Meinung nach ist dieser Wächter zu viel mehr geeignet, als nur ein Wachposten von Einsamkeit zu sein. Er wäre echt talentiert für die Armee. Ich denke, ich werde bei Gelegenheit mal mit General Tulius darüber reden. Aber dazu brauche ich seinen Namen. "Wenn Ihr jetzt auf das Ziel achtet und nur auf das Ziel, dann dürfte selbst der stärkste Windstoß den Pfeil nicht von seinem Ziel abbringen.", mit diesem Satz meines Trainers landet sein Pfeil genau neben meinem von vorhin. "Ihr seid echt sehr talentiert. Warum habt ihr keinen Platz in der Armee?", frage ich ihn. Plötzlich wirkt er etwas unsicher. Mit dieser Frage hat er jetzt nicht gerechnet. "Ich habe meine Gründe.", antwortet er nur trocken. Ich schaue kurz zu Boden, ehe ich antworte. "Als Mitglied würdet Ihr der Armee echt nur Vorteile verschaffen. Ich wäre mir sicher, dass Ihr einer der besten Bogenschützen sein würdet." Leider trägt der Trainer einen Helm, daher kann ich sein Gesicht nicht genau sehen. Um seine Verlegenheit zu überspielen, fährt er sachte über seinen Holzbogen. "Danke, ich werde sehen, was die Zukunft mir bringen wird.", antwortet er nach kurzem Schweigen. "Wie heißt Ihr denn? Ich würde schon recht gern den Namen meines Trainers erfahren.", frage ich ihn. Die Wache steckt seinen Bogen weg und sagt: "Mein Name ist Mathes." Ich strecke ihm meine Hand entgegen. "Sehr erfreut, Mathes. Ich bin Arthura, Drachenblut und Herold der Gefährten." Trotz des Helms glaube ich zu wissen, dass er lächelt. "Ich weiß, wer Ihr seid. Tulius hat mir ja aufgetragen, euch zu trainieren. Mir ist es außerdem eine große Ehre, dem Drachenblut meine Tipps zu lehren.", bei diesen Worten senkt er kurzzeitig den Kopf, um mir zu zeigen, dass er Ehrfurcht vor meinem Namen hat. "Es muss aufregend sein, auf Drachen Jagd machen zu können und ihre Seele anschließend in sich aufzunehmen." Ich grinse bei seinem Satz. "Ja, in der Tat. Es ist nicht einfach, aber eine große Ehre, diese Fähigkeiten zu besitzen." Ich halte kurz inne, bis mir eine Idee kommt: "Wenn Ihr wollt, können wir mal gemeinsam auf Drachen-Jagd gehen. Ich kann immer gute Bogenschützen gebrauchen, die den Drachen schon in der Luft angreifen können." Mathes schaut auf und mich direkt an. Durch seinen Helm kann ich seine blauen Augen sehen, die aufgeregt blitzen. "Das würde gehen? Oh, das würde ich gerne, wenn das möglich wäre!" "Okay, dann ist es abgemacht. Ich sage euch rechtzeitig bescheid, wenn ich wieder losziehe, um gegen die Feuerspucker zu kämpfen.", antworte ich. Mathes verbeugt sich vor mir und fällt fast auf die Knie. "Vielen, vielen Dank."

Inzwischen sitze ich schon seit einiger Zeit an der Feuerstelle neben Schloss Elend und dem Trainingsplatz. Ich lasse meine Gedanken nochmal durch die Erinnerungen der letzten Kämpfe gleiten. Einiges ist in letzter Zeit passiert. Ich höre noch die sicheren Siegesschreie der Sturmmäntel in meinen Ohren, als wir Windhelm angegriffen hatten. Ich habe richtig dieses Kriegerblut in mir gespührt. Bis zu diesem Zeitpunkt, als ich Ulfrich unbewaffnet gegenüber stand. Meine Gedanken werden kurzzeitig unterbrochen, als ich den Schatten eines riesigen Vogels an mir vorbeigleiten sehe. Ich schaue nach oben zum Himmel. Diese Vögel leben ein totales Leben in Freiheit. Sie sehen die Welt von oben. Ich schließe die Augen und erinnere mich zurück an meinen ersten Drachenflug. Auf Odahviings Rücken. Dieser Drache ist mir trotz allem weiterhin ein sehr guter Freund. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich mal Freundschaft mit einem Drachen schließen könnte, aber es geht tatsächlich. Wenn die Klingen davon erfahren würden, ich weiß nicht, was sie sagen würden. Aber das ist mir auch vollkommen egal. Ich bin kein Mitglied ihrer Gruppe. Naja, ein gewisser Teil von mir ist das schon, aber ich gehöre voll und ganz zu den Gefährten. Ich will auch mit Drachen reden können und sie nicht immer gleich bei der ersten Begegnung töten. Bei den Klingen ist so etwas ja vollkommen ausgeschlossen. Ich frage mich, ob sie jemals ihre Sichtweise ändern werden. Ich denke, ich weiß die Antwort bereits. Niemals.
Ich blicke auf. Wieder einmal schießen mir Bilder vom Kampf in Windhelm in den Kopf. Die kämpfenden Soldaten, der unbewaffnete Ulfrich... Als General Tulius und ich ihn gemeinsam besiegt hatten, glaubten wir, dass wir jetzt Ruhe von den Sturmmänteln haben würden, aber sie sind nach wie vor irgendwo da draußen in den Wäldern und lauern auf die passende Gelegenheit, wieder zuzuschlagen. Aber die Kaiserliche Armee ist stärker. Viel stärker.
"Ich wäre dann wieder bereit für die nächste Trainingseinheit.", sagt Mathes und holt mich damit aus meinen Gedanken zurück. "Okay, legen wir los.", antworte ich und stehe auf.

Jetzt ist es ganz anders, als ich erwartet hatte: Nicht Mathes unterrichtet mich, sondern ich ihn! Es stellt sich schnell im Laufe des Probeschlagens heraus, dass meine Kampftechniken besser sind, als seine. Also bringe ich Mathes bei, wie man sein Schwert richtig schwingt und den Schild effektiv einsetzt. "Ich werde prinzipiell nicht mit einem Zweihänder kämpfen. Er ist mir viel zu schwer. Ich kommte mit leichter Rüstung besser zurecht." Ich nicke verständnisvoll. "Dennoch möchte ich Euch zeigen, wie man es richtig macht.", antworte ich und schwinge einige Male meine Waffe durch die Luft und tu so, als ob ich gegen jemanden kämpfen würde.
Nachdem ich ihm einige meiner Trick gezeigt habe, ist er an der Reihe. Ich beobachte ihn, wie er sein Schwert gegen die Trainingspuppe richtet und gebe ihm nebenbei wertvolle Tipps.

Gegen Abend verabschieden wir uns dann voneinander. Ich möchte heute noch nach Weißlauf zurückreiten und möchte möglichst vor Sonnenaufgang dort ankommen, also muss ich sofort aufbrechen. Mit einer Umarmung verabschiede ich mich von Mathes. "Ich melde mich bei dir, sobald es zum nächsten Drachenkampf geht.", verspreche ich ihm. "Ich kann es kaum erwarten! Gute Heimreise.", sagt Mathes freundlich. Ich winke ihm noch zu und gehe die Steintreppe nach unten zum Haupttor. Dahinter wartet bereits meine treue Stute Rain auf mich. Sie schnaubt erfreut, als sie mich sieht. Inzwischen ist bereits Sonnenuntergang und ich weiß, dass es jetzt ein langer Nachtritt wird. Gemeinsam machen wir uns also auf den Weg zurück nach Weißlauf.

So, das war die zweite Kurzgeschichte in meiner Reihe "Mission: Einsamkeit".
Ich hoffe, sie hat euch gefallen und ihr lässt mir Feedback da! :D
LG
Anna

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